Die Zeit ist kulturabhängig. Uhren ticken überall auf der Welt. Durch die Globalisierung und weltumspannende Medien entsteht der Eindruck, es gäbe für unsere Erde nur eine vorherrschende Vorstellung von Zeit. Wenn Sie weltweit Geschäfte machen oder wichtige Kontakt pflegen, dann müssen Sie wissen: Der Umgang mit Zeit kann von unseren Gewohnheiten sehr abweichen.
Linear und multiaktiv: Zwei unterschiedliche Zeitsysteme
Für den linearaktiven Umgang mit Zeit ist Amerika das Topbeispiel: Zeit ist wie der Flug eines Pfeiles, kostbar und vergänglich. Dies produziert getakteten Aktionismus. Ausruhen kann man, wenn überhaupt, nach Feierabend oder wenn man tot ist.
Menschen aus Südeuropa oder der arabischen Welt sind in der Zeit gerne multiaktiv: Sie sind an subjektiver Begegnung interessiert. Sie empfinden Zeit zirkulär und wiederkehrend, eine Begegnung soll unabhängig von der linearen Zeit zu einem befriedigenden Ende kommen.
Beide Modelle speisen sich auch aus der Haltung zum Mitmensch und zum Tod: Der linear aktive Mensch glaubt, er könne seine Aufgaben alleine schaffen. Den Tod ignoriert er weitgehend. Ein multiaktiver Mensch ist eingebunden in den Kreis einer Gemeinschaft, die er wertschätzt, weil er sie braucht. Der Tod ist nur Übergang für eine eventuelle Wiederkehr. Im asiatischen Wiedergeburtsglauben ist dies besonders stark ausgeprägt.
Erstaunliche Unterschiede im Umgang mit Zeit
Deutsche und Schweizer stehen sich in Disziplin und Pünktlichkeit recht nah. Spanier sagen gerne mañana, also morgen, wenn eine sofortige Dienstleistung gewünscht wird. Der Augenblick ist diesem Menschen zu kostbar, und neben der realen Zeit existiert immer auch eine poetische. In der arabischen Welt, Afrika oder Lateinamerika ist ein regional besonderer Moment oder die innere Gestimmtheit entscheidender als die objektive Uhrzeit: Ein arabischer Geschäftspartner kommt zuspät oder zunächst gar nicht, und Sie sollten ihm das nicht übelnehmen.
Bedenken Sie die Relativität Ihrer eigenen Zeit
Pünktlichkeit und Disziplin sind nicht zu Unrecht deutsche Tugenden. Wir haben sie erlernt und unsere Erfolge und entgegengebrachte Anerkennung beruhen darauf. Aber sie haben ihren Wert nur in unserem heimatlichen Kontext. Wenn Sie sich in die Welt bewegen, verändert sich auch die Bewertung von Zeit.
Seien Sie offen für Zeitmodelle in Ihrem Gastland. Akzeptieren und nutzen Sie diese für Ihre Unternehmungen. Diese Beweglichkeit und Toleranz wird man Ihnen danken. Machen Sie auch Frieden mit dem durch die Eltern erlernten Zeitumgang. Sie müssen nicht mehr unterwürfig und überpünktlich sein. Doch auch eine noch immer gelebte notorische Unpünktlichkeit Ihres inneren Kindes aus Protest gegen pedantische Eltern ist heute nicht mehr zeitgemäß: Sie sind frei.